Aufreger der Woche(*): Google Alerts. Ein Benachrichtigungsservice, der einem per E-Mail melden soll, wenn zu bestimmten Suchbegriffen neue Websites erscheinen oder geändert wurden. Tolle Sache in Zeiten der Informationsflut, und doch solch ein Aufreger, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, mich zu echauffieren.
Beispielsweise habe ich eine Benachrichtigungsmail gesehen, die hat zwar richtigerweise einen Eintrag aus einem Forum als Suchergebnis verschickt, aber a) mit einem falschen, aktuellen Datum versehen, obwohl der aktuellste Beitrag von 2007 war, und b) einen Beitrag mitten aus Seite 1 des Forenthemas genommen, wo doch das Thema sich über 7 Seiten erstreckte. Also mehr als irreführend, wenn man sich damit begnügt.
Derselbe Alert, mit denselben Suchbegriffen, gab beim Verschicken an eine andere E-Mail-Adresse einen komplett anderen, völlig irrelevanten Alert. Die Liste könnte man endlos weiter führen, denke ich. Es zeigt aber, dass die Ergebnisse dieses Dienstes gelinde gesagt “wenig nachvollziehbar” sind.
Die Probleme eines solchen “Informationsdienstes” sind vielfältig, und Öl im Feuer eines jeden Medienkritikers. Sinn und Zweck der Alerts ist es ja, Relevantes von Irrelevantem zu unterscheiden, und das Relevante frei Haus zu liefern. Gerade die Relevanz ist jedoch nur vorgegaukelt, in Wirklichkeit wohl eher beliebig, und die Inhalte sind augenscheinlich auch noch fehlerhaft. Wer das nicht routinemäßig hinterfragt, spielt Informationslotto(**).
Wer nun diese Probleme auf den Beta-Status des Dienstes zurückführt, verkennt die wahre Problematik: Es ist die immer wieder gern gesehene Firmenpolitik von Google, nach Gutsherrenart über die Relevanz und Bedeutung von Informationen zu entscheiden. Und kaum jemand regt sich darüber auf. Das folgt 1:1 dem altbekannten Theorem der Retrievalforschung, dass man nur die Relevanz dessen beurteilen kann, was man auch als Information erhält, und nicht dessen, was man nicht gefunden hat. Ich weiß eben nicht, was ich nicht weiß.
Es gibt natürlich den Einwand, dass Journalisten, Politiker, Autoren, Fernsehschaffende, Blogger etc. ebenso Informationen zurückhalten, filtern, sieben, verfälschen, bearbeiten usw. Der Unterschied ist jedoch, dass dies in der Regel mehr oder weniger nachprüfbar, gesetzlich geregelt und transparent geschieht, und dass man ohnehin den Protagonisten mit Skepsis begegnet – wer glaubt schon einem Politiker?
Google hingegen hat sich eine eigene Welt erschaffen: Informationen werden gesammelt, aufbereitet und verteilt, ohne dass irgendjemand wüsste, nach welchen Kriterien dies geschieht. Das “Wie” wird ja explizit als privatwirtschaftliches Firmengeheimnis behütet. Alle (iPhone-Benutzer voran – zwei Rote Tücher auf einem Haufen 🙄 ) unterwerfen sich einem Mechanismus, dessen Regelwerk sie allenfalls erahnen können. “Das wird in Google (nicht) gefunden” mag ein Kriterium für wirtschaftlichen Erfolg sein; über die Bedeutung von Informationen sagt es aber überhaupt nichts Verlässliches aus.
“Medienkompetenz” heißt unter anderem, Informationen beurteilen zu können, weil man weiß, wie das Medium funktioniert. Wenn die “Informationselite” die Informationen, welche Google gnädigst verteilt, nicht mit gaaaaanz spitzen Fingern anfasst, dann ist es mit der “Elite” nicht weit her.
Jaja, ich bin ja schon ruhig 😳
(*) Die ist ja fast rum, man verzeihe daher meine Voreiligkeit
(**) Glückspiel kann süchtig machen. Chance 1:10 hoch 17.